Für Ferruccio Laviani ist Produktdesign eine wissenschaftliche Disziplin mit klaren Regeln. Aus diesem Grund hat er sich nie für Design-Kunst oder Kollektionen mit limitierten Stückzahlen interessiert – Design-Produkte sollen seiner Auffassung nach in Serie produziert werden. Ein Industrieerzeugnis muss so konzipiert werden, dass es industriellen Regeln folgt. Das bedeutet nicht, dass Design frei von Poesie sein muss. Tatsächlich liebt Ferruccio Laviani es, mit Materialien zu experimentieren und zu spielen und ständig neue Wege zu finden. Seine Produkte wurden bereits in vielen internationalen Ausstellungen präsentiert.
Auch als Art Director für Kartell, Flos, De Padova, Foscarini, Moroso, Emmemobili und andere Marken war er bereits tätig. Er hat unzählige Möbelstücke und Beleuchtungsartikel für große internationale Marken entworfen. Seine Tätigkeit umfasst unzählige Innenarchitekturprojekte, Installationen, Ausstellungslayouts, der Entwurf von Messeständen und Gewerbeflächen. Für Dolce & Gabbana entwirft er seit mehreren Jahren Designkonzepte für ihre Stores. Außerdem entwirft er für die Luxusmarke die Kulissen für deren Modeschauen. Seine Arbeit zeichnet aus, dass er seine Designidentität bewahren und sich stets an Kundenanforderungen anpassen kann. Weitere bekannte Projekte von ihm sind die Verpackung und einzigartige Einzelstücke für Moët Hennessy, Piper-Heidsieck, Veuve Clicquot, die Kulissen für den Swarovski Crystal Palace, die Showrooms für Martini e Rossi, Citroën, Paula Cademartori und Zuhair Murad. Seine Arbeit ist weltweit bekannt und er konnte sein Können schon bei verschiedenen Ausstellungen, Konferenzen und Seminaren, in den berühmtesten Museen und an den berühmtesten Universitäten zur Schau stellen.
Unser Interview mit dem Designer Ferruccio Laviani:
Wie bist du zum Design gekommen und wer hat dich auf deinem Weg inspiriert?
Als ich mein Studium begann, dachte ich nicht, dass ich Designer oder Architekt werden würde. Nach dem Schulabschluss war ich in einer Fachschule für Geigenbau eingeschrieben (Ferruccio Laviani stammt aus Cremona, der Geigenhauptstadt der Welt). Später wechselte ich jedoch in eine andere Fakultät, da ich keine wirkliche Leidenschaft für die Herstellung von Geigen hegte. Dort lernte ich, wie man Möbel entwirft und baut. Als ich an der Universität anfing, hatte ich also schon viel Wissen aus dem Bereich Möbeldesign. Wenn ich dann meinen Instinkten gefolgt wäre, hätte ich mich für ein Studium der orientalischen Sprachen in Venedig eingeschrieben. Ich musste jedoch einen Kompromiss zwischen meinen Interessen und den Bedürfnissen meiner Familie treffen und entschied mich so für Architektur. Am Ende des vierten Jahres meines fünfjährigen Architekturstudiums hatte ich aus vielerlei Gründen ein freies Jahr zwischen dem Ende der Prüfungen und der Verteidigung der Dissertation. Daraufhin schrieb ich mich an der Scuola Politecnica di Design ein, einer privaten Designschule. Am Ende meines Studiums war ich also Architekt und Designer. Damals, in den frühen 80ern, war Mailand ein sehr wichtiger Ort für Design. Mein erster Job war tatsächlich im ersten selbstständigen Studio von Michele De Lucchi, der gerade das Studio von Ettore Sottsass verlassen hatte.
Was bedeutet es, heute Designer zu sein?
Designer zu sein, bedeutet für mich, meinen Job zu machen, indem ich Professionalität und Kreativität im richtigen Maß kombiniere. Hier nur eine kurze Randbemerkung: In letzter Zeit wird oft über Design gesprochen, auch über Design-Kunstwerke oder limitierte Auflagen. Aber aus meiner Sicht ist Produktdesign immer Produktdesign, und ein Industrieprodukt ist ein Industrieprodukt mit Anforderungen an die Massenproduktion. Beim Design im industriellen Maßstab sind verschiedene Faktoren zu berücksichtigen, zum Beispiel die Produktionskosten, die Verkaufspreise und der Produktionsprozess. Wenn ein Design diese Kriterien nicht erfüllt, handelt es sich um eine Kleinserie oder eine limitierte Auflage. Ich möchte damit nicht die Qualität einiger dieser kleinen Produktionen oder Eigenproduktionen herunterspielen; sie können auch von ausgezeichneter Handwerkskunst sein, aber sie sind keine Projekte im Bereich des Produktdesigns. Daher denke ich, dass Produktdesigner in der heutigen Zeit Kreativität mit Beschränkungen der industriellen Fertigung verbinden müssen.
Woher oder von wem nimmst du deine größte Inspiration?
Eigentlich von allem. Ich habe keine explizite Referenz, keine Ausstellungen, keine Filme oder spezifische Themen; manchmal sind es Grafiken, die mich visuell beeinflussen; ein grafisches Bild kann ein Projekt inspirieren. Aber für den Rest gibt es keine genauen Referenzen; ich denke, unser Gehirn ist wie eine Festplatte, aus der Ideen zur richtigen Zeit hervorkommen.
Was macht einen besonders guten Kunden für dich aus? Ist es eine genaue Idee und Vision, oder eher, dass dir Freiheit und viele Möglichkeiten gegeben werden?
Es ist deutlich vielschichtiger als das. Ich arbeite immer mit einem Briefing des Unternehmens, das Anweisungen zu dem Material enthalten kann, das ich verwenden sollte, oder anderes. Ich ziehe es vor, nicht zu viel Freiheit bei dem Thema zu haben; freie Themen sind zu komplex, um sie zu interpretieren. Die beste Arbeitsweise, die auch die besten Ergebnisse bringt, ist immer, Mitarbeiter zu haben, mit denen man diskutieren und das Produkt gemeinsam verfeinern kann. Es ist selten der Fall, dass das Produkt nach der ersten Prüfung akzeptiert wird; viel öfter gibt es dann eine Reihe von Vorschlägen, die gemeinsam entwickelt werden. Wichtig ist, dass es ein gemeinsamer Weg ist, und dass am Ende das Ergebnis beide Seiten befriedigt.
Manche Marken wählen jedoch häufig berühmtere Designer aus, einfach, weil sie berühmt sind, nicht wegen ihres tatsächlichen Wissens oder ihrer Fähigkeiten. In solchen Fällen scheitert die Kollaboration dann leider und es werden keine Ergebnisse erzielt. Manchmal sollten Unternehmen genau analysieren, ob sie mit einem Designer zusammenarbeiten möchten, weil sie dessen Arbeit schätzen oder nur weil sie sich durch die Zusammenarbeit Prestige erhoffen.
Du hast für Marken wie Swarovski, Kartell, Dolce & Gabbana und Veuve Clicquot gearbeitet. Was war dein Lieblingsprojekt?
Eines der Hauptmerkmale meiner Arbeit ist, dass sie vom Produktdesign bis hin zu Einrichtungen und Innenarchitektur für den Einzelhandel reicht. Darüber hinaus ist ein weiterer wichtiger Aspekt, dass ich immer versuche, die Philosophie meiner Kunden in das Design einzubinden – auch wenn ich dazu manchmal bekannte Wege verlassen muss. Es ist mir wichtig, aufzuzeigen, dass ich keine Lieblingsprojekte habe. Jedes Projekt hat positive Seiten, aber auch Aspekte, die mir weniger gefallen. Projekte, aus denen ich eine positive Erfahrung ziehe, sind mir also immer am liebsten.
Ein Produkt, das mich beispielsweise begeistert, ist die Bourgie-Lampe, die ich für Kartell entworfen habe. Sie ist seit 2004 in Produktion, eine von Kartells Bestsellern. Das Aufregendste an diesem Projekt war, dass sie eines der wenigen Designs war, das schon bei der ersten Prüfung genehmigt wurde. Für Dolce & Gabbana habe ich mehrere Stores entworfen, genauso wie die Bar Martini am Corso Venezia in Mailand und das Gold-Restaurant, ebenfalls in Mailand, sowie viele Runway-Shows. All diese Projekte habe ich als interessante Arbeiten in Erinnerung. Ich war sehr geschmeichelt, als Hennessy, ein französisches Unternehmen, mich bat, Flaschen für ihren Paradis-Horus-Cognac zu entwerfen. Daraus entstand die Mailbox für Veuve Clicquot und Möbel für eine Ausstellung, die der Beziehung zwischen Madame Clicquot und ihrem Assistenten gewidmet ist. Ich könnte hier noch viele weitere Kunden aufzählen, ich hatte wirklich eine Menge. Jedes Projekt gab mir die Möglichkeit, zu wachsen und etwas Neues zu schaffen.
Was ist dein Lieblingsmaterial?
Ich habe keine Lieblingsmaterialien. Ein sehr schöner Aspekt des Designerberufs ist es, dass man bei jedem Projekt neue Materialien ausprobieren kann. Zum Beispiel habe ich bei den Projekten für Emmemobili Holz auf eine ganz andere, unkonventionelle Weise interpretiert. Kürzlich habe ich mit einer Firma namens Not in Sizilien ein Projekt entwickelt. Wir arbeiten mit lokalen Handwerkern zusammen, mit denen wir auf ungewöhnliche Weise Möbelelemente aus Keramik herstellen.
Ich arbeite auch gern mit Plastik, obwohl es heutzutage als umweltschädliches Material angesehen wird. Tatsächlich enwtickeltPlastik sich ständig weiter. Die ersten recycelten Kunststoffe liefen mir in den 90ern über den Weg, heute sind wir schon viel weiter. Ich glaube, dass Plastik ein Material ist, das noch viel zu bieten hat. Als Kartell anfing, Plastik für Möbel zu verwenden, war das Ziel, Holz dadurch zu ersetzen. Die in den 60ern entworfenen Lampen waren zwar aus Kunststoff gefertigt, aber nicht dazu konzipiert, um am nächsten Tag weggeworfen zu werden – im Gegenteil, sie sollten besonders lange halten. Bei der Entsorgung bestehen jedoch zweifellos noch Probleme, die gelöst werden müssen. Natürlich verursachen Einwegkunststoffe eine Menge Probleme mit dem Recycling. Biokunststoffe machen alles noch viel schlimmer, da sie nicht mit den gleichen Techniken wie fossile Kunststoffe entsorgt oder recycelt werden können. Aber trotz all der Probleme, die wir nicht leugnen können, ist es ein Material, das immer noch großes Potenzial hat.
Kann Design unser Leben verbessern?
Natürlich kann es das. Auch wenn es nur das gute Gefühl ist, etwas Schönes zu kaufen oder etwas zu haben, das uns den Alltag erleichtert. Es gibt Millionen von Stühlen und Lampen da draußen, aber wenn man es trotz des Überflusses schafft, einen Bestseller zu kreieren, bedeutet das, dass es immer noch Potenzial für Verbesserungen gibt. Vielleicht erfindet man etwas Neues oder man ändert die Referenzen – die Dinge ändern sich.
Was designst du am liebsten? Messestände, Modeschauen oder Produkte?
Ich habe keine Vorlieben; im Gegenteil, ich mag meinen Job gerade deshalb, weil er mir erlaubt, an mehreren Projekten in verschiedenen Größenordnungen zu arbeiten. Von 2000 bis 2013 arbeitete ich für Dolce & Gabbana und gestaltete mit ihnen viele Stores und Modeschauen. Ich hatte auch noch weitere Projekte im Einzelhandel, aber nie war es so klar formuliert wie bei D&G. Ich habe auch viele Produkte entworfen. Ich liebe meine Arbeit, weil ich viele unterschiedliche Dinge tun kann: Das Objekt vermittelt bestimmte Emotionen, vielleicht in der Funktion oder im Material; die Architektur bewegt sich durch den Raum. Dies sind verschiedene Arten von Geschichten, die ein komplementäres Leben führen.
Was ist das wichtigste Element in der Wohnraumgestaltung? Sind es die Oberflächen, die Möbel, das natürliche Licht oder das künstliche Licht?
Die Gestaltung eines Hauses ist vielleicht die schwierigste von allen. Sie beinhaltet in der Tat viele Aspekte der Menschen, die dort leben werden. Daher muss der Architekt oder Innenarchitekt ein „spiritueller Berater“ werden, um alle Facetten des Lebens seiner Kunden zu erfassen, auch die weniger offensichtlichen. Dieser Job erfordert eine einzigartige Sichtweise, die ich nicht habe, also entwerfe ich lieber für Unternehmen. Aufgrund der Komplexität eines Wohnprojekts überwiegt kein Aspekt über die anderen. Ein gutes Ergebnis ergibt sich aus dem perfekten Zusammenspiel aller Faktoren. Das Entscheidende bei der Bewältigung dieser Projekte ist, sich mit denen abzustimmen, die im Haus leben werden.
Wie unterscheidet sich das vom Design im Einzelhandel? Wie schafft man es, die Kunden so einzubinden, dass sie sich in einem öffentlichen Raum wohlfühlen?
Der wesentliche Aspekt, der ein Geschäft attraktiv macht, ist, dass sich der Kunde wohlfühlt. Die Kunden kommen zurück, wenn sie einen Grund dazu haben. Das meiner Meinung nach perfekte Geschäft war der zweite Fiorucci-Store in Mailand, in der Via Torino, der 1974 eröffnet wurde. Das ist schon fast 50 Jahre her, aber das war bereits ein hochmoderner Concept Store, wo man Platten, Kleidung, die man nur dort finden konnte, einzigartige Wohnaccessoires, Parfums und Kosmetika finden konnte, außerdem lief bereits lautstark Musik … Fiorucci hatte es geschafft, eine neue Welt zu erschaffen. In diesem Concept Store konnte man den Nachmittag verbringen und einfach nur bummeln. Genauso muss ein Laden sein, in dem man sich wohlfühlt. Die Kunden kommen zurück, wenn sie einen Grund dazu haben, oder auch wenn sie sich dort einfach außergewöhnlich wohlfühlen. Dann kann man abhängig von der Unternehmensstrategie eine Modellwelt schaffen und sie zu Zwecken der Markenidentität auf die gleiche Weise in jedem Teil der Welt nachbilden. Oder man erzählt jedes Mal eine andere Geschichte. Dann hat man die Mailand-Story, die New York-Story und so weiter. Über die einzelnen Unternehmensstrategien hinaus besteht die spannende Herausforderung im physischen Einzelhandel darin, dass jedes Projekt wie ein Buch ist, jeder Raum ist eine eigenständige Geschichte.
Gibt es bestimmte Kontinente oder Märkte, die im Vergleich zu uns in Europa vielleicht schon weiter fortgeschritten sind?
Ich denke, dass es im Auge des Betrachters liegt, was fortgeschritten und was rückständig ist. Es hängt immer davon ab, was man sucht. In den letzten Jahren gab es einen großen Ansturm auf Asien und den Nahen Osten, aber jeder Markt ist anders. Ab 1993 arbeitete ich etwa 10 Jahre lang eifrig in Brasilien. Heute weiß ich nicht, ob ich das wieder tun würde. Die Dinge ändern sich. In den 80ern verbrachte ich viel Zeit in Japan, wo ich eine völlig neue Arbeitsweise kennenlernen durfte. Aber, wie gesagt, es hängt davon ab, was man sucht. Sowohl Europa als auch die USA und Asien haben sehr fortschrittliche Aspekte.
Welche 3 Dinge würdest du auf eine einsame Insel mitbringen?
Sicherlich mein Smartphone; Musik, also mein iPod oder etwas Ähnliches; und dann natürlich Stift und Papier.
Wie würdest du dein(e) Leitprinzip(ien) definieren?
Mein Leitprinzip ist meistens: „Tu das, was dir Spaß macht, solange es Sinn ergibt.“ Wenn ich für ein Unternehmen arbeite, egal, für welches, fühle ich viel Verantwortungsbewusstsein für das Design. Schließlich soll der Kunde auch ein gutes Produkt für sein Geld bekommen. Ansonsten denke ich, dass es in Ordnung ist, mit seiner eigenen Kreativität frei zu handeln, solange man Dinge tut, die Sinn ergeben.
Deine Arbeit hat dich in Länder auf der ganzen Welt geführt. Was ist deine Lieblingsstadt? Welche 5 Orte würdest du dort deinem besten Freund oder deiner besten Freundin empfehlen, wenn er oder sie in der Stadt ist?
Das ist eine wirklich schwierige Frage, da ich nicht nur eine Lieblingsstadt habe. Ich kann es auf drei eingrenzen, sagen wir Kairo, São Paulo und Paris. Was die schönsten Orte betrifft, so würde ich sagen, das Archäologische Museum und Café Riche in Kairo, das MuBE, das MAST und das Restaurant La Casserole in São Paulo und den Louvre in Paris.
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Last Updated on März 17, 2024 by Editorial Team